09:15–09:30 |
Einlass in den virtuellen Tagungsraum |
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09:30–09:55 |
Eröffnung |
Prof. Dr. Jens Ivo Engels |
Zweck dieses Panels ist es zu erläutern und zu erörtern wie Transportinfrastrukturen durch Zeit konstruiert werden. Das Zusammenspiel von Zeit und Transportinfrastrukturen ist durch gegenseitige Abhängigkeiten geprägt, welche sich je nach Kontext unterschiedlich
darstellen. Dabei gibt es gar Zeiten, die bestimmte Transportinfrastrukturen und -Systeme erst notwendig machen. Das Verhältnis von Zeit und Infrastruktur macht dabei eine dezidierte Abhängigkeit aus und Infrastrukturen
haben dabei zuweilen eine passive Rolle.
Anhand von den Vorträgen wird diskutiert, welche Einflüsse zyklische
Zeit (das heißt das Auftauchen und Verschwinden spezifischer Umstände) sowie endliche
Zeit (mit der Betrachtung spezifischer Bedingungen von Zeitabschnitten) auf Transportinfrastrukturen hat. Annäherungen an diesen Diskussionsgegenstand sind vielfältig und die inhaltlichen Auseinandersetzungen
variieren. Betrachtet werden könnte die zeitweilige Umnutzung von Transportinfrastrukturen aufgrund veränderter Umstände (z.B. die Etablierung von Pop-Up Radwegen während der Corona-Pandemie oder die Umnutzung
verlassener Flughäfen als Parkmöglichkeiten für LKWs bei einem harten Brexit). Des Weiteren wäre die Betrachtung des Auftauchens zeitlich begrenzter und möglicherweise ungeplante Transportinfrastrukturen möglich
(z.B. die Versorgungsinfrastruktur der Katastrophenschutzlogistik, Evakuierungsströme bei Extremwettereignissen oder die Luftbrücke zur Versorgung West-Berlins im Kalten Krieg). Dies sind Infrastrukturen, welche
nur im Einsatzfall volle Verwendung finden und danach wieder rückgebaut werden. All diese Beispiele werfen Fragen auf, unter welchen Umständen Zeit diesen Einfluss auf die Funktion von Transportinfrastruktur
hat und was dies über das Verhältnis der beiden Diskussionsgegenstände aussagt.
Moderation:
Søren Soelberg M.A. & Eline Punt M.Sc.
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10:00–10:30 |
Temporalitäten an Verkehrsflughäfen: Eine situative und fallspezifische Betrachtung der (Um)Nutzungen während der aktuellen Corona Pandemie
Der Vortrag betrachtet, welche Veränderungen an Verkehrsflughäfen durch die weltweite Corona Pandemie stattgefunden haben. Die Prozesse der Luftfahrt und damit auch der Verkehrsflughäfen waren vor der Pandemie primär Produkte der Just-in-Time Rhythmisierung
des globalen Logistiksystems. Demgegenüber stehen eine Reihe an (inter-)nationalen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie, die die Infrastruktur Verkehrsflughäfen mit einer neuen Diversität an Temporalitäten verbinden.
Denn, während auf der einen Seite Lösungen zur Aufrechterhaltung der Just-in-Time Rhythmus der Logistik durch den Einbruch des Passagierverkehrs sichtbar wurden, konnten auf der anderen Seite für die Verkehrsflughäfen
ungewöhnlicher Stillstand innerhalb der Infrastruktur (z.B. Landbahnen als Parkplätze) sowie die Implementierung logische kurzfristiger Strukturen (z.B. Testzentren) beobachtet werden. Im Blicklicht der Corona-Pandemie
werden Teilergebnisse meines Dissertationsprojektes präsentiert, welche die Veränderungen und die daraus folgenden Steuerungsherausforderungen der Infrastruktur Verkehrsflughafen sowie (pandemiespezifischen) Gefährdungen
und Vulnerabilität aufzeigen.
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Eva Platzer M.A. |
10:30–10:45 |
Kaffeepause |
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10:50–11:20 |
Zeitliche Skalen in der Wasserversorgung: Einblicke, die uns die Mathematik in unser Verhältnis zur Wasserversorgung und ihrer Resilienz gewährt
Ein erheblicher Teil der urbanen Bevölkerung ist täglich auf die Verfügbarkeit von Trinkwasser, das von Wasserversorgungssystemen bereit gestellt wird, angewiesen. Ihre Gestaltung und ihr Betrieb sind primär von menschlichen und planetarischen Zeitskalen
bestimmt - unser Tageszyklus, der Wechsel der Jahreszeiten hervorgerufen durch das Kreisen der Erde um die Sonne sowie der Klimawandel haben Einfluss darauf, wie wir Wasser nutzen. Um weitere für die Wasserversorgung
charakteristische Skalen zu identifizieren und um diejenigen zu finden, die erst im Krisenfall von Interesse sind, kann eine in den Ingenieur- und Naturwissenschaften etablierte Methode verwendet werden: die Dimensionsanalyse.
In unserem Beitrag zeigen wir wie Skalen aus der mathematischen Perspektive definiert sind und führen die Methode der Dimensionsanalyse ein. Wir legen die Relevanz der Dimensionsanalyse für die Untersuchung der
Trinkwasserversorgungssysteme dar und stellen vor, welche Einblicke sie in die Resilienzforschung im Bereich der urbanen Infrastrukturen bieten kann.
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Kevin Logan M.Sc.
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Michaela Leštáková M.Sc.
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Imke Lorenz M.Sc.
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11:25–11:55 |
Rhythmen im S-Bahn-System und deren Auswirkungen auf das Störfallmanagement
Die Zirkulation von Zügen eines S-Bahn-Systems wird durch den Fahrplan vorgegeben und kann als Rhythmus des S-Bahn-Systems aufgefasst werden. Der Fahrplan ist wiederum Ergebnis der Zusammenführung einer Vielzahl sich teilweise überlagernder Rhythmen und Taktungen. Diese können sowohl der Nachfrage nach Zugfahrten (z.B. Pendlerströmen), als auch dem Angebot (z.B. kleinstmöglicher Zeitabstand einer Zugfolge) innewohnen. Störfälle im Betrieb (z.B. der Ausfall eines Stellwerks) bedingen erhebliche Unterbrechungen der Zirkulation. Ziel des Störfallmanagements ist die Aufrechterhaltung der Zirkulation und damit der Funktion des S-Bahn-Systems während eines Störfalls.
In dem Vortrag werden dem Fahrplan zugrundeliegende Rhythmen aufgezeigt und aus diesen Auswirkungen auf das Störfallmanagement in einem S-Bahn-System abgeleitet. Ausgangspunkt ist die Mindestzugfolgezeit als kleinste technische Taktung von Zugfahrten. Aufbauend darauf werden die sich aus dieser Taktung und weiteren rhythmischen Einflüssen ergebenden Abhängigkeiten auf die Zirkulation der Züge dargestellt. Abschließend werden die Auswirkungen der beschriebenen Rhythmen und Taktungen auf das Störfallmanagement betrachtet.
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Cedric Steinbach M.Eng. |
11:55–12:55 |
Mittagspause |
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Zweck dieses Panels ist es zu erläutern und zu erörtern, wie (Transport-)Infrastrukturen ihre eigene Zeit (und ihren eigenen Raum) konstruieren.
(Transport-)Infrastrukturen wurden u.a. (weiter)entwickelt, um von natürlichen Zyklen unabhängig zu sein (Tag und Nacht, Ebbe und Flut, …). Gleichzeitig haben diese oftmals selbst eine Taktung oder Rhythmus inne, was teilweise auch als Zyklus aufgefasst
werden kann. Dabei gibt es sowohl Zyklen, die von der technischen Infrastruktur ausgehen oder vorgegeben werden und sich auf die Nutzer auswirken (z.B. Ampelschaltung) als auch Zyklen der Nutzer, die die Gestaltung
der Infrastruktur bestimmen (Morgen- und Abendspitzen im Verkehr, Saisonaler Güterverkehr). De- und Konstruktion von Zyklen scheinen bei Transportinfrastrukturen somit Hand in Hand zu gehen.
Daneben zeigt sich bei (Transport-)Infrastrukturen, dass oftmals nicht die zurückgelegte Distanz für dessen Nutzung ausschlaggeben ist. Vielmehr gibt die Geschwindigkeit, also die Zeit, die für die Überwindung einer Distanz erforderlich ist, die Nutzung
dieser Transportinfrastruktur vor. Transportinfrastrukturen, die eine höhere Reisegeschwindigkeit aufweisen, scheinen dadurch die Distanzen zwischen Orten zu komprimieren. Sichtbar wird dies beispielsweise in
den Reiseentfernungen oder auch dem Bezug von Waren aus der ganzen Welt. Ein anderer Blick darauf ist, dass die aufgewendete Zeit (für Arbeitsweg, Reisen, Bezug von Waren) begrenzt ist. Nimmt nun die Geschwindigkeit
der Transportinfrastruktur zu, steigt die überwindete Distanz (zur Arbeit, bei Reisen, beim Bezug von Waren). Somit ist die Zeit die feste Bezugsgröße.
Moderation:
Laura Höß M.A. & Raphael Longoni M.A.
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13:00–13:30 |
Ambivalente Zeiten: Der Telegraph am Beginn des Netzwerk-Zeitalters
Der elektrische Telegraph steht, gleich der Eisenbahn, als Symbol der Kommunikationsrevolution, die die Welt des 19. Jahrhunderts verwandelte und das menschliche Leben bis heute prägt. Schon zur Zeit ihrer Erfindung wurde diese neue Technologie als eine
jener Triebkräfte der Beschleunigung beschrieben, welche die Moderne recht eigentlich ausmacht. Durch den Telegraphen wurde es zum ersten Mal möglich, unmittelbar zwischen Städten, Ländern und Kontinenten zu kommunizieren—der
Raum wurde, so Marx, durch die Zeit vernichtet. Dabei verdankte sich der Einfluß dieser Technologie ganz wesentlich sozialen Netzwerken. Diese schlossen bestimmte Milieus und Orte ein, während sie anderen den Zugang
zur neuen Kommunikation erschwerte. Die Beschleunigung der Moderne war somit ein differenzierter Prozess, dessen Entwicklung im Deutschland des 19. Jahrhundert dieser Beitrag untersucht.
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Dr. Jean-Michel Johnston |
13:35–14:05 |
Left Behind: Wie das Eisenbahnzeitalter uns zu Zeitphilosophen des Alltags machte
Dank den Beiträgen von Reinhard Koselleck und Odo Marquard wissen wir viel über das Zeitalter der Geschichtsphilosophien. Diese kommen im ausgehenden 18. Jahrhundert in gebildeten Milieus so richtig in Schwung. Ihr Kerngedanke besteht im Glauben an eine
lineare Entwicklung in Richtung Fortschritt. Diese Vorstellung bezieht ihre Deutungsmacht aus der Angst vor dem Zurückbleiben. Seit dem 19. Jahrhundert unterscheiden wir deshalb, ganz ohne Scheu, zwischen fortschrittlichen
und rückständigen Menschen, Kulturen und Nationen. Während einige vorangehen, verbleiben andere im ‘Warteraum der Geschichte’ (Dipesh Chakrabarty). Um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Eisenbahn zum Massenverkehrsmittel
aufstieg, erreichte der geschichtsphilosophische Topos die Alltagswelt der Massen: Menschen wurden zu Zeitphilosophen. Diese These wird im vorliegenden Beitrag anhand britischer und deutscher Bahnreisender illustriert.
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Prof. Oliver Zimmer |
14:05–14:20 |
Kaffeepause & Office Fresh Up |
Unisport-Zentrum der TU Darmstadt |
14:25–14:55 |
Zeitaspekte der Infrastrukturpraktiken von Menschen ohne dauerhafte Unterkunft
Der Vortrag betrachtet die Zeitdimension der Infrastrukturpraktiken von Menschen ohne dauerhafte Unterkunft. Der Zeitaufwand für Nutzung oder Ersatz von Infrastruktur (Wasser, Energie, Mobilität, Kommunikation) und deren Häufigkeit haben entscheidende
Auswirkungen auf die soziale Situation dieser Menschen und sind geprägt von zeitlichen Abläufen wie Öffnungszeiten von Einrichtungen, Tag und Nacht oder Jahreszeiten. Ich beginne mit einem Überblick, wie bisherige
Forschung zu Infrastruktur und Obdachlosigkeit das Verhältnis von Infrastruktur und Zeit konzeptualisiert. Auf dieser Grundlage präsentiere ich erste Ergebnisse meines Dissertationsprojekts zu Infrastrukturpraktiken
von Menschen ohne dauerhafte Unterkunft in Berlin und gehe dabei auf Aspekte wie das Warten, strikte Zeitpläne, das Verhältnis zwischen Zeit und Verdienst und Jahreszeitlichkeit ein. Ich schließe mit Überlegungen,
was diese Ergebnisse für unser Verständnis der Zeitdimension von Infrastrukturen bedeuten können.
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15:00–15:30 |
Bearbeitung einer gegenwärtigen Zukunft mittels Prognose-Infrastrukturen am Beispiel Public Health Monitoring
Der zunehmende Datenreichtum, die exponentiell gewachsenen Möglichkeiten der Speicherung und Verarbeitung von Information beinhaltet auch das Versprechen auf neue Werkzeuge der Früherkennung und Prognose. Die Sammlung unspezifischer Daten und deren Analyse mittels automatisierter Mustererkennung verspricht Hinweise auf problematische Entwicklungen, noch bevor diese sichtbar manifest geworden sind. Dieser Gedanke prägt etwa ein neues Verfahren des Public Health Monitoring, das seit 2001 insbesondere in den USA zum Einsatz kommt. An diesem Fallbeispiel der Syndromic Surveillance stellt der Vortrag Implikationen eines derartigen datenbasierten Bezugs auf die Zukunft vor. Der Infrastruktur-Begriff ist hier geeignet, dezidiert das Zusammenwirken von Technik und Nutzung in den Blick zu nehmen. Deutlich wird dann insbesondere, inwiefern die ‚gegenwärtige Zukunft‘, die aus den Daten ermittelt wird, häufig unerkannt das Gegenwärtige fixiert.
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15:30–15:45 |
Kaffeepause |
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Die Podiumsdiskussion greift die in den beiden Panels betrachteten Zeit-Infrastruktur-Beziehungen auf, stellt diese gegenüber und ergründet den Nutzen dieser für die Auseinandersetzung mit Transportinfrastrukturen.
So wie (Transport-)Infrastrukturen zeitliche Zyklen de- und konstruieren unterliegen diese selbst Zyklen, wie das Erscheinen und Verschwinden von Transportinfrastrukturen zeigen. Die entsprechende Zu- beziehungsweise Abnahme der Bedeutung der Infrastruktur,
die über Stunden bis zu über Jahrzehnten hinweg verlaufen kann, spiegelt sich oftmals in der Transportinfrastruktur selbst wider. Manifestierte Provisorien oder Behelfslösungen können auf einen raschen Bedeutungsgewinn
der Transportinfrastrukturen hinweisen, Umwidmungen oder Umnutzungen zeugen dagegen meist von einem Bedeutungsverlust. Die an diesen Gegebenheiten gebundene Gestaltung der Infrastruktur bedingt wiederum die
von ihr konstruierte(n) Zeit(en). Dazu kommt, dass die konstruierte(n) Zeit(en) als Charakteristikum einer Transportinfrastruktur bereits die Triebfeder des Bedeutungsverlustes sein kann. Folglich stellt sich
in der abschließenden Podiumsdiskussion unter Einbeziehung der in den Panels entwickelten Überlegungen die folgende Leitfrage:
Wie ist die gegenseitige Abhängigkeit zwischen (Transport-)Infrastrukturen und Zeit heute und in der Zukunft zu interpretieren? Wie fördert diese Zeitperspektive die Analyse und ein besseres Verstehen komplexer infrastruktureller Umstände?
Moderation: Prof. Dr. Alfred Nordmann
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15:50–16:50 |
Zeit und Infrastruktur - abhängige Konstrukteure? |
- Prof Dr. Gabriele Schabacher
- Prof. Dr. Dirk van Laak
- Prof. Dr. Alfred Nordmann (Moderator)
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16:50–17:00 |
Resümee |
Prof. Dr. Alfred Nordmann |
17:00 |
Ende der Tagung |
Prof. Dr. Jens Ivo Engels |